Neues Phänomen: Proximity Bias

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Seit 2020 haben wir das erreicht, wonach sich insbesondere Eltern schon seit vielen Jahren gesehnt haben: flexible Arbeitszeiten und Homeoffice. Doch wie jede Änderung, so hat auch diese nicht nur Vorteile, sondern offenbart mit der Zeit Schattenseiten, die es zu beseitigen gilt. In diesem Fall ist diese Schattenseite ein neues Vorurteil – auch Bias genannt – und zwar das sogenannte „Proximity Bias“.

Proximity Bias – was ist das?!

Hinter dem Proximity Bias verbirgt sich die Vorstellung, dass Mitarbeitende, die sich in unmittelbarer Nähe zu ihren Vorgesetzten befinden – also in Präsenz vor Ort arbeiten, als bessere Arbeitskräfte angesehen werden. Man sollte meinen, dass dieses Vorurteil durch mehr als zwei Jahre Homeoffice und pandemischer Anpassung überholt ist, doch dem ist nicht so, die wie eine aktuelle Umfrage des „Future Forums“ von Slack unter mehr als 10.000 Arbeitnehmenden zeigt.

Weltweit arbeiten rund 58% der Wissensarbeitenden in hybriden Arbeitsverhältnissen. Trotz der breiten Akzeptanz flexibler Arbeitsformen gaben Führungskräfte in der aktuellen Befragung an, dass eine mögliche Ungleichheit zwischen Mitarbeitenden, die im Büro arbeiten, und denen, die im Homeoffice sind, für sie ein großes Problem darstellt.

Dieser Proximity Bias kann sich insbesondere auf die Leistungsbewertung derjenigen negativ auswirken, die im Homeoffice und daher nicht permanent vor Ort sichtbar sind. Da diese Gruppen weniger Zeit im Büro verbringen, kommunizieren sie folglich auch weniger mit ihren Führungskräften sowie den Kolleginnen und Kollegen. Insbesondere Frauen sind hier wieder eine besonders betroffene Zielgruppe, denn die Studie zeigt, dass 84% der Männer bereits seit Monaten wieder ganz oder teilweise im Büro sind – im Gegensatz zu den Frauen, von denen weltweit erst 79% wieder in Präsenz arbeiten. In Deutschland ist dieser Anteil deutlich geringer aufgrund er ausgedehnten Homeoffice-Verordnungen durch den Gesetzgeber und die volatilen Schuldbedingungen.

Die Befürchtung, dass flexibles Arbeiten den beruflichen Erfolg einschränken könnte, ist nicht neu. Wir weisen darauf seit vielen Jahren hin und auch eine LinkedIn-Umfrage vom März 2020 ergab, dass 52% der Frauen sehr besorgt darüber sind, dass sie negativer beurteilt werden, wenn sie im Homeoffice arbeiten.

Allerdings hat sich seit 2020 die Arbeitskräftesituation in vielen westlichen Industrienationen verändert. Insbesondere in Deutschland ist seit dem Jahr der demografische Wandel in vollem Gange, d.h. die Babyboomer verlassen in immer größeren Kohorten die Arbeitswelt und sorgen für einen strukturellen Fachkräftemangel. Dieser wiederum zwingt Unternehmen kurz-, mittel- und langfristig dazu, die flexiblen Arbeitsbedingungen aus der Zeit der Pandemie in die post-pandemischen Zeiten zu überführen.

Und das vor allem auch deswegen, weil der von uns von November bis Mitte Dezember 2021 durchgeführte „Student Survey“ gezeigt hat, dass knapp 80% der befragten Studierenden ausschließlich bei Arbeitgebern anfangen möchten, die hybrides Arbeiten ermöglichen.
Entscheidend ist jedoch, dass Arbeitgeber insbesondere ihre Führungskräfte unterstützen und konsequent ermutigen, den Proximity Bias abzubauen und sich nicht auf die Präsenz, sondern auf die Arbeitsergebnisse der Mitarbeitenden konzentrieren.

Wichtig ist, transparente Rahmenbedingungen vorzugeben, die nicht nur Hybridarbeit ermöglichen, sondern den Führungskräften auch berechenbare Perspektiven geben, Leistungen und Ergebnisse von denen erfassen zu können, die im Homeoffice arbeiten. Dazu gehören beispielsweise:

  • Kernarbeitszeiten, in denen alle Mitarbeitenden zu erreichen sind – entweder online oder vor Ort in Präsenz
  • Einfach zugängliche Kommunikationskanäle, in denen man sich ad hoc und auf dem kurzen Dienstweg absprechen und sichtbar sein kann
  • Meetings werden bei hybrid arbeitenden Teams grundsätzlich nur noch per Videokonferenz abgehalten, so dass die Kommunikations-Bedingungen für alle gleichermaßen gelten
  • Regelmäßige Jour-Fixes mit der Führungskraft für alle, die nicht dauerhaft im Büro sind sorgen für einen konstanten Austausch und für konstante Sichtbarkeit
  • Mindestens ein Mal pro Monat ein Pflichtmeeting für alle in Präsenz, wenn es die Bedingungen erlauben

Und insbesondere für Frauen gilt: Auch online und aus der Ferne Präsenz zeigen, zum Beispiel durch effektives Networking!