Studie: Fachkräfte in der Automobilindustrie

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Die für Baden-Württemberg so wichtige Automobilindustrie mit 250.000 Beschäftigten steht unter massivem Veränderungsdruck. Die Transformation der Wirtschaft insgesamt und die Hinwendung der Branche zur E-Mobilität verändern die Anforderungen an die Beschäftigten. Einerseits droht ein spürbarer Arbeitsplatzabbau, andererseits fehlen im Jahr 2030 voraussichtlich 40.000 Fachkräfte. Von verlässlichen Übergangspfaden, die aus bedrohten in zukunftsfähige Jobs führen, profitieren daher Arbeitnehmende und Arbeitgeber gleichermaßen.

Für fünf besonders gefährdete Berufsfelder der Automobil- und Zuliefererindustrie zeichnet eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung verlässliche Übergangspfade. Betroffen sind alle Qualifizierungsniveaus: ungelernte Hilfskräfte, Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung, aber auch Spezialisten (Meister-, Techniker und Bachelor-Niveau) und selbst Experten (Master-Absolventinnen und -Absolventen) verschiedener Bereiche. Neu orientieren müssen sich demnach versierte Menschen in der technischen Forschung und Entwicklung (z. B. Produktingenieurwesen Fahrzeugtechnik), Hilfskräfte in der Metallbearbeitung, Spezialisten in der Kraftfahrzeugtechnik (z. B. Fahrzeugbautechnik), Spezialisten in der Automatisierungstechnik (z. B. Maschinentechnik) und Fachkräfte im Vertrieb (z. B. Sales- und Servicefachkräfte).

“Gelingt es, möglichst viele von ihnen für zukunftsträchtige Berufe zu qualifizieren, lassen sich Entlassungen vermeiden und Fachkräftebedarfe besser decken. Die Voraussetzungen dafür sind gut”, sagt Eric Thode, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung. Die vom Forschungsinstitut WifOR durchgeführte Branchenanalyse anhand von 370.000 Online-Stellenanzeigen in den Jahren 2014 bis 2021 zeigt Wechselmöglichkeiten für diese gefährdeten Berufe hin zu den passenden Berufen mit Zukunft. Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, dass die Wechsel keinen Abstieg bedeuten und dass sie andererseits die Arbeitskräfte nicht überfordern.

Je ähnlicher die Anforderungen, desto größer sind die Erfolgsaussichten

Basis für erfolgreiche Wechsel ist der Vergleich der Kompetenzen zwischen dem bestehenden und dem Zielberuf. Je ähnlicher die Anforderungen, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Die Übergangspfade zeigen, welche Kompetenzen die Betroffenen noch zusätzlich erwerben müssen, um Anforderungslücken zu schließen. Dabei muss der Übergang nicht notwendigerweise in demselben Unternehmen erfolgen, nicht einmal in derselben Branche. So können Fachkräfte im Vertrieb auf demselben Anforderungsniveau relativ leicht in Berufe der kaufmännischen und technischen Betriebswirtschaft wechseln, Spezialisten der Automatisierungstechnik können eine berufliche Zukunft auch im Bereich der Maschinenbau- und Betriebstechnik finden.

Entscheidend für die Ausgestaltung der Übergangspfade ist es, neue Kompetenzen in den Bereichen Professional Skills, Software-Skills und Soft Skills zu erlangen. Je nach Zielberuf sind die nötigen Professional Skills stark unterschiedlich. Spezialisten in der Automatisierungstechnik, die in die Elektrotechnik wechseln, müssen z. B. zusätzliche Kenntnisse in Lichttechnik und Optik erwerben. Ein Übergang in die Maschinenbau- und Betriebstechnik erfordert dagegen u. a. zusätzliche Kompetenzen in Konstruktion und Qualitätsplanung. Bei den Software-Skills ist neben grundlegenden Kenntnissen wie MS Office häufig auch der sichere Umfang mit Konstruktionssoftware wie CAD und CATIA besonders wichtig. Die Soft Skills werden zu Unrecht häufig unterschätzt: Eigenschaften wie Organisationsfähigkeit, kreatives Denken oder Führungsfähigkeit machen oft den entscheidenden Unterschied zwischen Expertinnen und Experten bzw. Spezialistinnen und Spezialisten aus. “Soft Skills wie ausgeprägtes Selbstbewusstsein, Verhandlungsgeschick oder Lernbereitschaft erleichtern schließlich auch den Berufswechsel selbst”, sagt Eric Thode.

Automobil- und Zuliefererindustrie in Baden-Württemberg sollte Wechsel unterstützen

Die Unternehmen können einiges dazu beitragen, dass Übergänge gelingen. Dazu zählen eine gelebte Lern- und Veränderungskultur im Betrieb, eine vorausschauende Personalstrategie und transparente Informationsangebote. Beschäftigte wissen oft nicht, welche Kompetenzen in Zukunft von ihnen gefordert werden, Unternehmen haben nur selten einen Überblick über die Vielfalt der vorhandenen Kompetenzen. Auch deshalb tun sich viele Beschäftigte schwer, sich weiterzubilden. Die Teilnahme lasse sich aber steigern durch eine offene Kommunikation darüber, welche Kompetenzen im Unternehmen gefordert sind, und durch verlässliche Aussichten auf berufliche Entwicklung für Beschäftigte, die bereit sind, sich weiterzubilden.